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Frage & Antwort


Woher kommt der Name Klinefelter-Syndrom?

Der amerikanische Arzt Harry F. Klinefelter hat – zusammen mit Edward C. Reifenstein und Fuller Albright – 1942 eine umfassende klinische Beschreibung des Klinefelter-Syndroms bei 9 männlichen Patienten mit Gynäkomastie (Brustentwicklung), kleinen Hoden, Infertilität (durch Aspermatogenese, also fehlende Spermien) und erhöhtem Follikelstimulierendem Hormon im Urin, verfasst.

Ursache des Klinefelter-Syndroms

Die Ursache der Symtomenassoziation, die das Klinefelter-Syndrom charakterisiert, wurde jedoch erst 1959 in Form eines überzähligen X-Chromosoms erkannt. Der menschliche Chromosomensatz (auch Karotyp genannt) besteht aus 22 Chromosomenpaaren und zwei Geschlechtschromosomen (auch Gonosomen genannt), zwei XX Chromsomen bei Frauen und XY bei Männern. Bei Männern mit Klinefelter-Syndrom sind neben dem
Y-Chromosom zwei X-Chromosomen vorhanden. Der Karotyp lautet 47,XXY. Es gibt andere seltenere Chromosomenzahlveränderungen, die ähnliche Symptome verursachen: Mosaik 46, XY/ 47, XXY, 48, XXXY, 48, XXYY, 49, XXXXY und in einigen Fällen 46,XX mit einer männlichen Entwicklung (sogenannten „Sex-reversal-syndrom“). Generell gilt: je mehr Chromosomen, desto schwerer können die Symptome sein. Nur wenige Gene sind auf beiden X-Chromosomen aktiv, diese reichen jedoch aus, die bekannten Merkmale des Klinefelter-Syndroms zu verursachen.

Wie und wann wird das Klinefelter-Syndrom diagnostiziert?

Nur etwa 10% der Jungen mit Karotyp 47, XXY werden bereits im Mutterleib bei einer Fruchtwasseruntersuchung (welche meist auf Grund des mütterlichen Alters durchgeführt wird) identifiziert, da männliche Feten mit 47, XXY Karotypen keinerlei Ultraschallauffälligkeit zeigen. Die Diagnose erfolgt meistens in der Pubertät oder im erwachsenen Alter bei Männern mit Gynäkomastie, Hypognadismus, Infertilität. Schätzungsweise werden 2/3 bis ¾ aller statistischen zu erwartenden Personen mit Klinefelter-Syndrom nicht richtig diagnostiziert, entweder auf Grund der Zurückhaltung der Personen selbst, oder aber auch durch Fehldiagnosen auf Grund mangelnder Kenntnis des Krankheitsbildes. Die definitive Diagnose wird durch eine Chromosomenanalyse (Karyogramm) gestellt.

Die Diagnosestellung

Die Diagnosestellung erfolgt häufig zu typischen Zeitpunkten, jedoch können Männer mit Klinefelter-Syndrom über lange Zeit undiagnostiziert bleiben. Typischer Weise präsentiert sich der Klinefelter-Patient dem Urologen mit unerfülltem Kinderwunsch.
Bezüglich einer adäquaten Diagnosestellung sollten folgende Untersuchungen bei Verdacht auf Klinefelter unbedingt einbezogen werden:

Körperliche Untersuchung (obligat)
· Status (Augenmerk auf den Habitus)
· Gynäkomastie
· Äußeres Genital

Spezielle Diagnostik
· Chromosomenanalyse (Karyogramm)
· Spermiogramm
· Hormonanalyse (T, FSH, LH, Prolaktin, TSH)
· Oraler Glucose Toleranz Test (oGTT)

Gametogenese

Karyogramm

 

 

 

 

 

 

 



Häufigkeit des Klinefelter-Syndroms

Die Häufigkeit des Klinefelter-Syndroms wird auf 1 auf 500 bis 1 auf 1.000 männlicher Neugeborener geschätzt. Somit sollten in Österreich etwa 10.000 bis 16.000 Jungen und Männer mit Klinefelter-Syndrom leben.

Merkmale des Klinefelter-Syndroms

 

Merkmale

Wie kommt es zur Chromosomenstörung?

Damit nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzellen ein normaler Chromosomensatz vorhanden ist, aus dem sich das neue Leben entwickelt, muss der doppelte Chromosomensatz bei der Bildung der Keimzelle (Eizelle= Oozyten; Samenzellen= Spermien) auf besondern Zellenteilung, der Meiose. Dabei kann es vorkommen, dass einzelne Chromosomenpaare nicht auseinander weichen (Nondisjunction). Die Ursache solcher Fehlverteilungen bei der Meiose sind bisher unbekannt. Es ist wichtig das kein Elternteil daran schuld ist. Bekannt ist, dass dieses Syndrom – wie einige andere Chromosomenstörungen auch – häufiger bei Kindern von älteren Müttern vorkommt.

Chromosomenstörung 47, XXY

Das männliche Geschlecht hat jeweils ein X- und ein Y-Chromosom, das weibliche wird durch zwei
X-Chromosomen bestimmt. Beim Klinefelter-Syndrom liegen zwei X- und zusätzlich ein Y-Chromosom vor. Die Häufigkeit dieser Chromosomenstörung liegt bei etwa 750 aller männlichen Neugeborenen. Man schätzt also, dass in Österreich etwa 10.000 bis 16.000 Jungen und Männer mit Klinefelter-Syndrom leben, circa 60% wissen über ihre Diagnose nicht Bescheid.
Nur etwa 10% der Jungen mit Karotyp 47, XXY werden bereits im Mutterleib bei der Fruchtwasseruntersuchung festgestellt, welche meist aufgrund des mütterlichen Alters (über 40 Jahren) durchgeführt wird. Männliche Feten mit Karotyp 47, XXY zeigen keinerlei Auffälligkeiten im Ultraschall. Weitere 10% werden im Kindesalter diagnostiziert, bei vom Klinefelter-Syndrom betroffenen Jungen treten bereits gehäuft Probleme vorwiegend im psychischen Bereich, im Verhalten und beim Lernen, wie bei der verbalen Intelligenz auf, es kommt zu verzögerter Sprachentwicklung und scheuem Verhalten, was häufig Schulschwierigkeiten zur Folge hat (Aussenseiterposition). Körperliche Zeichen im Kindesalter sind Grosswuchs mit langen Beinen und Armen ab den Vorschulalter. Verzögerte motorische Entwicklung, Muskelschwäche, Hodenhochstand.
Weitere ca. 10% vom Klinefelter Syndrom betroffene Jungen werden ab der Pupertät entdeckt
(Lehrlingsuntersuchung, Musterung). Die Pubertät kann zum normalen Zeitpunkt oder verzögert auftreten, Peniswachstum und Sexualfunktion entwickeln sich normal, dann kommt es erst zur Störung der Hoden mit abnehmender Testosteronproduktion. Die Hoden bleiben nahezu in kindlicher Größe; wenn eine Hormonuntersuchung durchgeführt wird, besteht das Bild eines hypergonadotropen Hypogonadismus. Körperliche Zeichen sind Großwuchs, wenig Muskulatur, weibliche Fettverteilung, gering ausgeprägte Akne, weniger bis ausbleibender Achsel-Brustbeharrung, Schambeharrung bis zum Gürtelbereich (Bikinizone), spärlicher Bartwuchs, unvollständiger Stimmbruch, Gynäkomastie (Brustentwicklung) bei 20-40% der Klinefelter-Syndrom Betroffenen, ausbleibender Hodenwachstum.
Weitere 10-15% Klinefelter Syndrom-Betroffene werden beim Urologen mit unerfüllten Kinderwunsch diagnostiziert. Körperliche Untersuchung (Augenmerk) Hochwuchs, lange Extremitäten, Hypogonadismus, Gynäkomastie, bei Tastbefund der Hoden (große ab 2cm.)
Spezielle Diagnostik: Chromosomenanalyse (Karogramm), Spermiogramm, Hormonanalyse CT, FSH, LH, Prolaktin, TSH. oraler Glukose Toleranz Test oGTT. Die Therapie des Klinefelter-Syndrom richtet sich vor allem nach dem hormonellen Erscheinungsbild Männer mit vollständigen 47, XXY sind bis zu 90% zeugungsunfähig, während der Mosaik-Typ 46, XY/47, XXY noch eine Spermatognese haben können. In einigen Fällen sind auch Schwangerschaften durch ICSI (Intrazytoplasmatische Spermien Injektion, eine moderne Methode der Reproduktionsmedizin) mit Spermien möglich, die aus Hodenproben von jungen Männern mit einen vollständigen 47, XXY Karotyp gewonnen und asserviert wurden.

Chromosomenform 48, XXXY – 48, XXY

Diese Form des Klinefelter Syndroms trifft mit einer Häufigkeit von 1:50 000 bei neugeborenen Jungen auf. Sie wird häufig im Baby- und Kindesalter, meist auf Grund eines groben Gesichtes, einer flachen Nase, einer inneren Lidfalte, weit auseinander stehender Augen sowie eines vorstehenden Unterkiefers, diagnostiziert.
Weitere Symptome sind die Störung der motorischen Entwicklung, meist eine verzögerte geistige Entwicklung, sowie Muskelschwäche, zu kleiner Penis, Hodenhochstand und Pendelhoden. Es kann eine leichte Auffälligkeit im Skelett, knöcherne Verbindung von Elle und Speiche, eine Verkrümmung der Wirbelsäule sowie eine Einwärtskrümmung oder Verkürzung des fünften Fingers (kleiner Finger) auftreten.
Im Jugend- und Erwachsenenalter treten geistige Entwicklungsstörungen, Verhaltenstörungen mit aggressiven Zügen und Grosswuchs auf. Weiters werden eine Brustentwicklung (Gynäkomastie), sowie eine Unterentwicklung der Geschlechtsorgane beobachtet. Des öfteren sind Neigungen zu Krampfadern oder Geschwüren am Unterschenkel bekannt. Der Intelligenzquotient liegt meist zwischen 60-100 bis in den Normalbereich. Es liegen keine Erfahrungen von geförderten Betroffenen vor.

Chromosomenform 49, XXXXY

Diese Chromosomenstörung wird auf 1:100 000 neugeborene Jungen geschätzt. Typische Symptome sind ein grobes Gesicht, ein breiter, kurzer Nacken, Auffälligkeiten im Skelett, eine Verkrümmung der Wirbelsäule, knöcherne Verbindung von Elle und Speiche sowie X-Beine, Hohl- oder Plattfüsse. Weiters werden Muskelschwäche, eine Unterentwicklung der Geschlechtsorgane und eine Entwicklungsverzögerung im geistigen und sprachlichen Bereich beschrieben. Der Intelligenzquotient beträgt 20-80.
Die Betroffenen werden als schüchtern, scheu und leicht irritierbar beschrieben, weiters kann es zu Frustrationstoleranz und gelegentlichen Neigungen zu aggressiven Ausbrüchen kommen. Es liegen keine Erfahrungen von geförderten Betroffenen vor.

Das Klinefelter-Syndrom aus der Sicht des Kinder- und Jugendarztes

Obwohl es sich um eine der häufigsten angeborenen Störungen handelt, wird die Diagnose selten durch den/die Facharzt/-ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde gestellt. Gründe dafür sind einerseits die eher uncharakteristischen Zeichen im Kindesalter, weil ja die durch den Androgenmangel bedingten Symptome erst mit der bzw. nach der Pubertät auftreten, andererseits weil dann oft erst verzögert eine entsprechende ärztliche Konsultation erfolgt. Eine Ausnahme stellt eine pränatal erfolgte Diagnose dar, sie erlaubt eine gezielte Betreuung.
Vor Pubertätsbeginn treten bei vom Klinefelter-Syndrom betroffenen Buben bereits gehäuft Probleme vorwiegend im psychischen Bereich, im Verhalten und beim Lernen auf, wie Defizite der verbalen Intelligenz (verzögerte Sprachentwicklung und expressive Fähigkeiten bei normalem Sprachverständnis) passives, zurückhaltendes, scheues Verhalten, das häufig Schulschwierigkeiten zur Folge hat und die Kinder früh in eine Außenseiterposition drängen kann. Die Gesamtintelligenz ohne Berücksichtigung des sprachlichen Anteils ist nicht vermindert. Trotzdem sind die Betroffenen in ihrer schulischen und später auch beruflichen Laufbahn oft benachteiligt.

Körperliche Zeichen im Kindesalter sind
Großwuchs mit langen Beinen und Armen ab dem Vorschulalter
verzögerte motorische Entwicklung, Muskelschwäche
Hodenhochstand

Diese angeführten Symptome sind jedoch keineswegs spezifisch und finden sich häufig auch aus anderer Ursachen.
Die Pubertät kann zum normalen Zeitpunkt oder verzögert auftreten, das Peniswachstum und die Sexualfunktion entwickelt sich normal, dann kommt es erst zur Störung der Hodenfunktion mit abnehmender Testosteronproduktion. Die Hoden bleiben nahezu in kindlicher Größe und der Tastbefund ist deutlich derber als normal. Wenn eine Hormonuntersuchung durchgeführt wird, besteht das Bild eines hypergonadotropen Hypogonadismus. Der Verlauf ist bei den Betroffenen sehr variabel von einer verzögert beginnenden oder nicht weiter fortschreitender Pubertätsentwicklung nach normalem Beginn bis hin zum Auftreten von störenden Symptome erst im Erwachsenenalter. Typisch – aber wiederum auch bei vielen anderen Erkrankungen und auch isoliert ohne zugrunde liegende Störung vorkommende Zeichen – bei Jugendlichen sind

extremitätenbetonter Großwuchs
pyknischer, leptosomer oder eunuchoider Körperbau, wenig Muskulatur
gering ausgeprägte Akne
wenig ausgeprägte Schambehaarung
Gynäkomastie (Auftreten einer Brustentwicklung)
spärlichen Bartwuchs, fehlender/ unvollständiger Stimmbruch
ausbleibendes Hodenwachstum
Immer wenn der Verdacht besteht, kann die Diagnose mit hoher Sicherheit mittels einer Chromosomenuntersuchung gestellt oder ausgeschlossen (dann sind weiterführende Untersuchungen bei bestehendem Hypogonadismus erforderlich) werden.

Die Behandlung ist im Kindesalter symptomorientiert durch Logopädie, Sprachpädagogik, Psychologie, Lernunterstützung. Eine frühzeitige Erkennung der verbalen Teilleistungsstörung kann durch gezielte Förderung (nicht nur bei Kinder mit Klinefelter-Syndrom) viele Folgeprobleme verhindern.
Eine Testosteronsubsitution bei Jugendlichen wird erst bei nachgewiesenem Testosteronmangel der Pubertätsentwicklung entsprechend angepasst mit niedrigen Dosierungen begonnen. Eine aufgetretene Brustentwicklung bessert sich dadurch nicht unbedingt, kann aber mit guten kosmetischen Ergebnis operativ korrigiert werden.
Wichtig ist die kontinuierliche Betreuung vor allem auch in Hinsicht der Fortführung durch den Facharzt für Andrologie im Übergang zum Erwachsenenalter.

Wird der Gesundheitszustand durch das Klinefelter-Syndrom beeinflusst?

Personen mit Karotyp 47, XXY, 48, XXXY, 49, XXXXY haben ein erhöhtes Risiko für:
Autoimmunerkrankungen (Diabetes und Schilddrüsenerkrankung)
Schilddrüsen Unterfunktion
Osteoporose (Knochenschwund)
Depression
Zahnprobleme

Männer mit einem vollständigem Karotyp 47, XXY sind infertil, während 46, XY/ 47, XXY Männer noch eine Spermatogenese haben können. In einigen Fällen ist auch eine Schwangerschaft durch ICSI (Intrazytoplasmatische Spermien Injektion, eine moderne Methode der Reproduktionsmedizin) mit Spermien möglich, die aus Hodenproben von jungen Männern mit einem vollständigem Karotyp 47, XXY gewonnen und asserviert wurde.

Das Klinefelter-Syndrom ist eine psychische und physische Belastung nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für deren Angehörige.


Die Texte wurden der Klinefelter-Syndrom Selbsthilfegruppe Österreich-Ost zur Verfügung gestellt.
Assoc. Prof. Priv. Doz .Dr. med. univ. Franco Laccone, Bio- und Humangenetik der Universität Wien
Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Markus Margreiter, FEBU, FECSM, Facharzt für Urologie und Andrologie
Dr. Astrid Zeitelberger-Renz, Fachärztin für Urologie und Andrologie
OA Dr. Martin Wustinger, Kinderinterne Abteilung, Klinik Donauspital

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